Die Zeit der Fülle
Seht ihr es?
Überall explodiert die Natur um uns herum in vollendeter Pracht. Selbst die Pfirsiche wachsen hinter meinem neuen Zuhause, ebenso wie die sich unter ihrem Gewicht biegenden Apfelbäume. Sie müssen sogar gestützt werden, so viele Früchte tragen sie dieses Jahr.
Ich bekomme vor Staunen kaum den Mund zu. Bald kommen die Zwetschgen, Birnen und Brombeeren dazu. Nicht nur ein paar, sondern wirklich viele. Es ist unglaublich dieses Jahr.
Es ist, als empfange uns dieser Sommer mit weit ausgebreiteten Armen: "Seht her, was ich alles hervorbringe."
Ort der Fülle
(Foto c/o Ramin Bastani 2018)
Neulich war ich mit einem guten Freund im Wald und entdeckte einen kleinen, aber feinen Ort, mitten zwischen den Bäumen, der es mir angetan hatte. Als Natur-Coach wurde ich neugierig und erforschte den Raum für mich.
Da war er: der Ort der Fülle.
Überall spross und blühte, wuchs und gedieh, hüpfte und flog es. Es krächzte und sang über mir, summte und brummte um mich herum und knackste und krabbelte unter mir. So viel Leben! Selbst das Tote war umringt und umschlungen vom Leben - eine alte Baumwurzel, die ihren Platz sehr ästhetisch einnahm.
Diese Pracht und Fülle zog mich so an, dass ich mich hineinbegab - mitten rein, denn im Alltag begegnete mir zu dieser Zeit hauptsächlich der Mangel, nicht die Fülle.
Das Haar in der Suppe
Die Landwirte haben wegen der anhaltenden Hitze und Dürre Probleme. Bei all der Pracht, die gleichzeitig blüht und sprießt.
Und eben genau da haben wir es: das Haar in der Suppe und ich will es nicht klein reden.
Dennoch... Darf ich mich nicht trotzdem an der Fülle erfreuen?
Der Verstand erlaubt mir ökologisch bewusst zu handeln und so meinen Beitrag zum Klimaschutz und ökologischen Gleichgewicht beizutragen. Die Sinne jedoch erfreuen sich der Fülle und dabei möchte ich keinen Widerspruch gelten lassen.
Und weiter: Was geschieht, wenn wir unser Bestes in die Welt geben? Wenn wir unseren Teil zur Fülle beitragen und dieses Geschenk hinaustragen in die Welt?
Dann treffen wir sehr wahrscheinlich auf Menschen, die uns schätzen und die wir schätzen. Wertvolle Geschenke. Das vielzitierte Gesetz der Resonanz.
Aber wir treffen auch auf Kritiker, auf Neider, auf Haare- in-der-Suppe-Sucher. Und bekommen unangenehme, teilweise absurde Kommentare. Kommentare, die mir vor allem eines sagen: guck mal hier - ich finde das Haar in der Suppe! Egal, wie klein, egal, wie unbedeutend. Und ... ich zeige es dir! Schau nur her!
Irgendwie seltsam, finde ich.
Und deshalb schreibe ich jetzt darüber.
Über die Fülle und das Haar in der Suppe. Das gibt es immer. Wenn man es denn sucht. Es ist die Wahrnehmung des Mangels, statt die Fülle zu sehen. Und manchmal leider auch der Neid der anderen, die einem auf einmal die Suppe voller Haare erscheinen lassen. "So habe ich das noch nie gesehen. Oh je!" Und schon ist der Mangel größer als die Fülle.
Das halbvolle oder das halbleere Glas
Das alte Beispiel vom halbvollen und halbleeren Glas.
Spannend, wie das menschliche Gehirn - oder ist es das Ego? - funktioniert.
Diese Denke wird ja auch von uns verlangt: Suche das Haar in der Suppe.
Alles ist prima? Kann nicht sein! Und es stimmt; irgendetwas findet man immer.
Wie war das bei Douglas Adams im "Anhalter durch die Galaxis"? Die Welten, die speziell nach allen Regeln der Kunst konstruiert wurden und doch nicht glücklich machten, denn "keine stellte sie mehr ganz zufrieden: entweder war das Klima am späteren Nachmittag nicht ganz so, wie es sein sollte, oder der Tag war eine halbe Stunde zu lang, oder das Meer hatte einfach nicht das richtige Rosa."
Mmmh.
Ehrlich gesagt habe ich die letzten Jahre mit dem Versuch verbracht, mir dieses Denken abzugewöhnen und mich einfach an den Dingen zu erfreuen, die sich mir präsentieren: Menschen, Begegnungen, Geschichten, Landschaften, Bilder, Lieder - die Liste ist unendlich. Wenn ich mich dabei erwische, das Haar in der wunderbar leckeren Suppe zu suchen, haue ich mir selbst auf die Finger. Lass es sein. Es ist, wie es ist. Und statt sich in Details zu verlieren, genieße es, wenn es sich für dich so präsentiert.
In meinem aktuellen Beispiel bei allem Mitgefühl für die Landwirte und auch aller Sorge um das Klima. Es ist mir nicht egal; ganz im Gegenteil. Und dennoch darf ich diese Pracht und Fülle, die sich ganz sinnlich mir präsentiert, auch genießen.
Der Intellekt darf ökologisch wachsam sein. Das Ego darf warten. Und das Leben darf fließen.
Oder, um es nochmal mit Douglas Adams zu sagen: "Wenn man eine Katze auseinander nehmen will, um zu sehen, wie sie funktioniert, hat man als erstes eine nicht funktionierende Katze in den Händen."
In diesem Sinne: lasst mal das Haar in der Suppe, schaut auf euer halbvolles Glas feinsten Quellwassers und erfreut euch der Fülle des Sommers. Ich wünsche euch viel Freude dabei!
Kleines Natur-Coaching geschenkt
Du möchtest das Geschenk der Natur selbst ausprobieren? Vielleicht piesackt dich gerade eine Frage und du findest einfach keine Antwort? Egal, wie du es drehst und wendest? Dann nimm deine Frage, dein Problem oder deinen Wunsch mit in die Natur.
Suche dir eine Umgebung, in der du möglichst ungestört erkunden kannst und ziehe Kleidung an, die dreckig werden darf. Du kannst dir auch eine Decke oder ein Sitzkissen für draußen mitnehmen. Ein Notizblock mit Stift und nach Bedarf Proviant dürfen auch dabei sein.
Auf dem Weg kannst du dir noch einmal genau überlegen, was denn deine Frage oder dein Wunsch ist. Formuliere so konkret wie möglich; je konkreter die Frage, desto konkreter die Antwort. Fühle in dich hinein, ob es es für dich stimmig klingt.
Sobald du einen für dich guten Ort erreicht hast, lege dir eine Schwelle. Das kann ein Ast oder ein Stein sein. Erde dich kurz, indem du den Boden unter den Füßen spürst, die Luft bewusst ein- und ausatmest und dich in deiner Mitte zentrierst. Formuliere noch einmal deine Frage bzw. deinen Wunsch, so wie sie für dich stimmig sind und überschreite die Schwelle. Wenn du magst, sage sie laut.
Und dann lass dich ziehen. Schalte deinen Verstand ab und deine Sinne ein. Alles, was ohne nachzudenken deine Aufmerksamkeit anzieht, ist Teil der Antwort. Lass dich zu einem Ort ziehen. Das können ein Stück Wiese, ein paar Bäume oder ein Bach sein.
Schreite die Grenzen ab: was gehört noch dazu? Was ist nicht mehr Teil deines Raumes?
Du bist nun in deinem Naturraum - in deinem ganz persönlichen Resonanzfeld auf deine Frage. Erforsche ihn. Sieh ihn dir an. Höre. Rieche. Fühle. Geh ruhig auch in Kontakt mit dem, was da ist. Auch Tiere, Steine und kleine Pflanzen gehören dazu; vielleicht auch ein Spaziergänger, der da unbedacht an dir vorbeigeht.
Welche Assoziationen kommen auf?
Es muss nicht unbedingt schön sein. Auch wenn dir etwas unangenehm ist, kann es einen interessanten Aspekt darstellen. Versuche, zu erforschen ohne zu werten. Gar nicht so einfach - ich weiß 😉.
Es gibt kein "richtig" oder "falsch" dabei. Alles, was sich stimmig anfühlt, ist "richtig" und Teil deiner Antwort.
Und meist hält die Natur eine Überraschung bereit - etwas, mit dem du niemals gerechnet hättest. Sei bereit, öffne dich und lass dich überraschen.
Wenn es dir zusagt, begleite ich dich gerne dabei oder vermittle einen Natur-Coach in deiner Nähe. In professioneller Begleitung ergibt sich natürlich ein tieferes Erfahrungsfeld. Aber auch alleine können sich neue Perspektiven eröffnen - probiere es einfach mal aus. Und wenn du magst, teile es mit uns.
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